Das Eisenwerk Witkowitz in Firmenschriften

Vitkovice (Witkowitz) ist ein Stadtteil von Ostrava, der durch das gleichnamige Stahlwerk bekannt geworden ist, das schon das größte der Habsburger Monarchie war. Es überstand die Zeiten und produziert unter veränderten Bedingungen noch heute. Der aus Ostrava stammende und in Opava lehrende Fotograf Ondřej Durczak (Jg. 1989) beschäftigte sich schon lange mit dem Thema der großindustriellen Komplexe seiner Heimatregion und legte bereits 2015 eine dokumentarfotografische Spurensuche zu alten Hochöfen, geschlossenen Zechenbauten und Wohnsiedlungen vor. Seine Arbeit steht dabei sowohl in der Tradition der New Topographics als auch der Sozialdokumentaristen.*

Durczak beließ es nicht nur beim Fotografieren, sondern begann eine Dissertation über die Geschichte des fotografischen Bildes von Ostrava und Vitkovice, von der nun ein Teil publiziert wurde. Durczak versammelt in seiner spannenden Studie so viele Publikationen über das Eisenwerk Witkowitz / Vítkowických železáren, wie er erreichen konnte; die älteste stammt von 1900, die jüngste von 2013. Eine wesentliche, auch in Durczaks Buch spürbare Zäsur bedeutete das Jahr 1948, als nach Habsburger Reich, 1. Republik, deutscher Besetzung und 3. Republik die Kommunisten an die Macht kamen. Mal ist mehr, mal weniger Propaganda, Werbung, Sachinformation oder künstlerischer Gestaltungswillen im Spiel.

Durczak stellt zunächst Überlegungen zur Ästhetik, zur Technik und zu den Motiven der Industriefotografie an, eher er eine Auswahl an besonders charakteristischen, oft bemerkenswert, zuweilen aber auch nur skurril gestaltete Bücher, Broschüren und Werbedrucksachen im Detail beschreibt und abbildet. Zum Abschluss jedes der beiden zentralen Kapitel vor/nach 1948 folgt eine Bild-Bibliographie, in der noch etliche weitere Publikationen zu finden sind. Schließlich gibt es kurze Abschnitte über Spezialfälle wie Leporellos/Bildmappen und fotoillustrierte Kalender sowie Kurzbiographien von einigen der für das Eisenwerk tätigen Fotografen. Ein ganz besonderer Service ist die ganz am Ende stehende Liste der Standorte der gezeigten Publikationen in öffentlichen Archiven und Sammlungen (man könnte also dort anhand der angegebenen Signaturen jedes Buch einsehen!). Einziger Haken an der Sache ist die Sprache, denn bis auf knappe Zusammenfassungen in Englisch und Deutsch ist das ganze Buch in Tschechisch geschrieben. Die Druck- und Wiedergabequalität der Abbildungen ist sehr gut, die Gestaltung ist angemessen sachlich und so attraktiv, dass ich gerne die zugehörigen Texte gelesen hätte…

Das schöne Buch ist als Studie über die fotoillustrierten Publikationen eines einzigen Fabrikbetriebes ein Novum und wird zweifelsohne für künftige, ähnliche Vorhaben Vorbildcharakter haben.

* Ondřej Durczak, Ostrava v důchodu, Praha: PositiF, 2015, ISBN 978-80-87407-15-8