Observations

Ein Fotobuch als Installation auf der documenta 13

Ondak_Cover

Die 13. documenta wird heute in Kassel eröffnet. Was hat das mit Fotobüchern zu tun? Fast nichts, auch wenn ausgerechnet das Thema Buch in diesem Jahr gleich mehrfach thematisiert wird. Immerhin einen Bezug zum Fotobuch gibt es in Form einer Arbeit, die in der Neuen Galerie zu sehen und als Künstlerbuch in der unvermeidlichen Ausstellungsbuchhandlung wiederzuentdecken ist: Roman Ondáks Observations. „Published on the occasion of dDOCUMENTA (13)“ liest man auf einem gelben Aufkleber. Die Materialbeschreibung zu Ondáks ausgestellter Arbeit lautet: „120 Ausschnitte aus einem Buch, angeordnet in 72 Rahmen“. Genau diese Mengen treffen auch auf das Künstlerbuch zu: es sind 72 Bildseiten mit 120 kleinformatigen Schwarzweißabbildungen, die aus einer alten Drucksache reproduziert erscheinen und die durch ihre (vom Künstler stammenden?) Bildunterschriften in einheitlicher Typografie zu Observations, Beobachtungen, gemacht werden. Ein Antiquitätenladen wird für Connaisseure untertitelt, ein Eingang zu einer Galerie für Bohemiens etc. Das hat Witz und hinterfragt auf spielerische Weise, was man sieht und was man sehen könnte. Die Dekontextualisierung von Fundfotos ist immer wieder erhellend.

Die Frage ist, warum man in einer zweifelsohne beeindruckenden Hängung mit schönen Holzrahmen exakt alle 120 winzigen Bilder von den 72 Bildseiten des Buches in einem sehr großen Raum zeigt, wo man dann zum Betrachten so nah herantreten muss, dass die Museumsaufseher bei Hochbetrieb bestimmt einschreiten werden? Hätte das Künstlerbuch nicht gereicht? Im offiziellen documenta-Katalog findet man auf Seite 166 die Antwort: „Verschieden hoch gehängt, fangen die Bilder und ihre lakonischen Begleittexte subtil nuancierte psychologische Situationen und alltägliche Einstellungen durch genau abgewogene Verbindungen ähnlicher und gegensätzlicher Gesten, Haltungen und Blicke ein. Der Ausstellungsraum wird durch diese Intervention »redigiert«…“ Die Qualität von Ondáks Arbeit hat aber bestimmt nichts mit der Höhe zu tun, in der die Rahmen hängen.

oben das Buch, unten die Installation mit der gleichen Dreierkombination

Oben das Buch, unten die Installation mit der gleichen Dreierkombination in der Mitte

Ondák zeigt in der Ausstellung ein auseinandergeschnittenes Multiple, das man bei Bedarf in jeder Buchhandlung kaufen könnte. Für den Betrachter eine traumhafte Situation, kann man sich auf diese Weise für wenig Geld eine documenta-Arbeit leisten und diese dann zu Hause ganz in Ruhe, ohne Zeitdruck, ohne nörgelnde Aufseher oder störende Mit-Besucher, so oft und so lange ansehen, wie man will. Einziger „Nachteil“ des Buches: Das Layout ist anders als die Ausstellungsinszenierung, es ist, wenn man so will, ruhiger, weniger wechselhaft. Raumgreifend „redigieren“ kann eine durch die Bindung festgelegte Folge von Druckseiten im DIN A 4-Format natürlich nicht.

PS Es gibt schon seit Längerem ein Objekt, das entfernt an ein Buch erinnert: den kuriosen dOCUMENTA (13)-Kalender 2011/12, den die Ausstellungsleiterin mit Hundefotos bestückte und der im Vorfeld der Ausstellung Werbezwecken diente. Aufwändig gemacht, mehr oder weniger private Fotos enthaltend. Nur etwas für hartgesottene Hundefreunde oder Hundefotografen oder documenta-Liebhaber. Wer über die Fotografie auf der documenta mitdiskutieren möchte, sollte diesem Link folgen.

  • Titel: Observations
  • Untertitel: 
  • Bildautor: Roman Ondák
  • Textautor: 
  • Herausgeber: 
  • Gestalter: 
  • Verlag: Verlag der Buchhandlung Walther König
  • Verlagsort: Köln
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: englisch
  • Format: 
  • Seitenzahl: 148
  • Bindung: Halbleinen
  • Preis: 24,80 Euro
  • ISBN: 978-3-86335-188-5

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